FZDW-Serie zur 13. Bevölkerungsvorausberechnung Teil 5

Dienstag, 7. Juli 2015

Die Trends zu Fertilität und Lebenserwartung sind, wie die bisherigen Teile der vorliegenden Serie gezeigt haben, von großer Stabilität geprägt: So bewegt sich die Geburtenrate in den alten Bundesländern bereits seit rund 40 Jahren auf dem heutigen Niveau, während die Lebenserwartung der Menschen ebenfalls seit Jahrzehnten kontinuierlich ansteigt.

Stabile Trends sind für Modelle – und um nichts anderes handelt es sich bei koordinierten Bevölkerungsvorausberechnungen – von Vorteil, da sie die Formulierung von Modellannahmen erleichtern. Entsprechend fallen die Annahmen des Statistischen Bundesamts zu Fertilität und Lebenserwartung wenig überraschend aus und schreiben die bisherigen Trends fort: Von der Geburtenrate wird eine weitgehende Konstanz auf dem bisherigen Niveau angenommen, während ein weiterer Anstieg der Lebenserwartung erwartet wird. Als ungleich problematischer erweist es sich jedoch, Annahmen zu den Wanderungsbewegungen zu formulieren.

Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass sich die Trends zu Wanderungsbewegungen in der Vergangenheit als sehr volatil erwiesen haben. Dies gilt weniger für die Zahl der Fortgezogenen, die – blickt man auf die vergangenen 15 Jahre – nur mäßig schwankt: So fiel die Zahl der Menschen, die Deutschland den Rücken kehrten, im Jahr 2001 mit 606.000 am niedrigsten aus. Der höchste Wert ist dagegen für 2013 zu verzeichnen und beläuft sich auf 798.000 Personen. Weitaus größer fallen aber die Unterschiede bei der Zahl der Zugezogenen aus: Ließen sich im Jahr 2006 lediglich 660.000 Menschen aus dem Ausland in Deutschland nieder, so lag diese Zahl in 2013 mit 1,225 Millionen Menschen nahezu doppelt so hoch.

Aus der Differenz von Zu- und Fortgezogenen ergibt sich mit dem sogenannten Wanderungssaldo die zentrale Kenngröße für den Einflussfaktor Wanderungen. Im Einklang mit den wechselhaften Trends von Zu- und Fortzügen unterlag auch der Wanderungssaldo entsprechend hohen Schwankungen. Dies verdeutlicht die folgende Abbildung:

Wanderungen

Die Grafik weist das wiedervereinigte Deutschland prinzipiell als Zuwanderungsland aus. So überstieg in nahezu jedem Kalenderjahr die Zahl der Zugezogenen die Zahl der Fortgezogenen. Lediglich in den Jahren 2008 und 2009 dominierte Abwanderung. Da zu dieser Zeit auch die 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung erschien, waren deren Annahmen zu den Wanderungsbewegungen etwas verhaltener als die Annahmen der 13. koordinierten Vorausberechnung.

In den Jahren nach 2009 erlebte Deutschland aber einen regelrechten Wanderungsboom, der u. a. in der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit für die Bürgerinnen und Bürger der östlichen EU-Staaten begründet liegt. So stellten im Jahr 2013 Polen (mit 190.000 Zugezogenen), Rumänien (135.000), Bulgarien (59.000) und Ungarn (58.000) die vier Herkunftsländer mit den meisten Zuwanderern dar. Dahinter rangieren die wirtschaftlich angeschlagenen südeuropäischen Länder Italien, Spanien und Griechenland. Auch sind in jüngeren Jahren deutlich höhere Zuwanderungsströme aus nordafrikanischen Ländern und aus Syrien zu verzeichnen. Alldies verdeutlicht, wie sensibel der Wanderungssaldo für globale wirtschaftliche und politische Entwicklungen ist. Zugleich darf nicht vergessen werden, dass auch politische Entscheidungen im Aufnahmeland  – beispielsweise zur Frage, wie liberal die Zuwanderungsgesetzgebung ausgestaltet ist – Einfluss auf Wanderungsströme nehmen. Eine verlässliche Vorhersage des Wanderungssaldo ist somit ein extrem schwieriges bis unmögliches Unterfangen.

Dennoch muss das Statistische Bundesamt, will es zu einer Vorausberechnung der Bevölkerungszahl gelangen, Annahmen zu dieser Einflussgröße formulieren. In der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechung werden zwei Annahmen zur Entwicklung des Wanderungssaldos getroffen. Beide gehen von einem kontinuierlich positiven Wanderungssaldo aus, der sich jedoch sukzessive reduziert und schließlich auf einem konstanten Niveau verharrt. Die Annahmen unterscheiden sich sowohl in der Schnelligkeit der Reduktion des Saldos als auch in der Höhe des langfristigen Sockelbetrags. Dabei ist Annahme W2 etwas optimistischer und geht beispielsweise von einem langfristigen Wanderungsgewinn von 200.000 Menschen aus, während die etwas verhaltenere Annahme W1 einen perspektivischen Wanderungsgewinn von 100.000 Menschen in Aussicht stellt.

Nachdem nun alle Annahmen zu den drei zentralen Einflussgrößen vorgestellt wurden, richten wir in der nächsten Folge den Blick auf mögliche Kombinationen dieser Annahmen und deren Konsequenzen für die Bevölkerungszahl und für die Altersstruktur. Dies stellt dann zugleich auch den letzten Teil unserer Serie dar. Bis dahin wünschen wir Ihnen wie immer eine gute Zeit!