FZDW-Serie zur 13. Bevölkerungsvorausberechnung Teil 4

Dienstag, 23. Juni 2015

Heute kommen wir in unserer Serie zur Lebenserwartung, zu Sterbefällen und zur sogenannten natürlichen Bevölkerungsbilanz. Dabei geht es um die Fragen, wie sich die Lebenserwartung in Deutschland in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten entwickelt hat, wie viele Menschen in Deutschland Jahr für Jahr sterben und wie es um das zahlenmäßige Verhältnis von Geburten und Sterbefällen bestellt ist.

Die Lebenserwartung in Deutschland ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten permanent gestiegen. Wenn es in der Diskussion um den demografischen Wandel heißt „Wir werden immer älter“ ist in der Regel genau dies damit gemeint. Blickt man in die Vergangenheit, so lag Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts die mittlere Lebenserwartung der Menschen in Deutschland noch bei gerade einmal 35 bis 50 Jahren. Das bedeutet allerdings nicht, dass es nicht auch schon seinerzeit Menschen gab, die 70 Jahre, 80 Jahre oder noch älter wurden. Vielmehr erklärt sich dieser niedrige Wert aus der hohen Säuglingssterblichkeit zu Beginn des Untersuchungszeitraums, der den Mittelwert „nach unten drückte“. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten reduzierte sich die Säuglingssterblichkeit aber dann sehr deutlich. Laut der aktuellen Sterbetafel für Deutschland sterben von 100.000 Neugeborenen glücklicherweise „nur“ noch 313. Zeichnete sich diese Entwicklung für den enormen Anstieg der Lebenserwartung bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts zentral verantwortlich, so hat sich in der Zeit danach die Zunahme in der Lebenserwartung zwar etwas abgeschwächt, der Trend blieb jedoch erhalten. Zurückgeführt wird dies insbesondere auf den medizinischen Fortschritt.

In der aktuellen Periodensterbetafel ist für neugeborene Mädchen eine mittlere Lebenserwartung von 82,8 Jahren ausgewiesen. Für neugeborene Jungen liegt sie mit 77,7 Jahren rund fünf Jahre darunter. Die Frage nach den Gründen für die Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen ist dabei ein wahrer Dauerbrenner in der Bevölkerungsforschung. Dies gilt besonders, da diese Differenzen in nahezu allen Gesellschaften – wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß – zu konstatieren sind. Wirklich zuverlässige Erklärungen, die an empirischen Daten bestehen, gibt es jedoch kaum. Ebenfalls interessant ist die hohe Varianz der Lebenserwartung innerhalb der Regionen Deutschlands: So fällt bspw. die Lebenserwartung neugeborener Jungen in Baden-Württemberg um drei Jahre höher aus als die eines Jungen, der in Sachsen-Anhalt zur Welt kommt. Weitere, räumlich noch tiefer gegliederte Befunde zur regionalen Verteilung der Lebenserwartung sind auf der Homepage von Dr. Marc Luy in hervorragender Weise dokumentiert. Im Wesentlichen lassen sich diese Differenzen mit Unterschieden in der Sozialstruktur zwischen den Regionen erklären. Aus der Forschung ist nämlich hinlänglich bekannt, dass der sozio-ökonomische Status einer Person einen massiven Einfluss auf ihre Lebenserwartung nimmt. Für einen Überblick zu dieser Thematik empfiehlt sich besonders das Heft zu Gesundheit und sozialer Ungleichheit in der Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte. Abschließend sei noch kurz erwähnt, dass es mit der sogenannten „ferneren Lebenserwartung“ neben der „Lebenserwartung bei Geburt“ noch ein weiteres Konzept innerhalb dieses Themenkomplexes gibt. Bei der ferneren Lebenserwartung handelt es sich um die weitere Lebenserwartung einer (in der Regel) 60-jährigen Frau bzw. eines 60-jährigen Mannes. Laut der aktuellen Sterbetafel können 60-jährige Frauen im Schnitt mit weiteren 21,3 Lebensjahren rechnen, Frauen dagegen mit weiteren 25,0 Jahren.

Die folgende Abbildung zeigt auf, wie sich die Lebenserwartung bei Geburt in Deutschland in der Vergangenheit entwickelt hat – und wie sie sich, den Annahmen des Statistischen Bundesamts folgend – in Zukunft entwickeln wird:

Lebenserwartung.xlsx

Offenkundig rechnet das Statistische Bundesamt auch für die Zukunft mit einem Anstieg der Lebenserwartung. Hierzu formuliert es zwei Annahmen: Im Rahmen der ersten Annahme (L1, in der Abbildung ausgewiesen) steigt die Lebenserwartung bis zum Jahr 2060 um weitere sieben Jahre für Männer und um weitere sechs Jahre für Frauen an. Zugleich wird angenommen, dass sich die Lebenserwartung von Frauen und Männern geringfügig angleicht und das „Gender Gap“ somit kleiner wird. Im Rahmen einer zweiten Annahme (L2) ist das Statistische Bundesamt mit Blick auf die Lebensdauer der Menschen noch etwas optimistischer: Hier wird angenommen, die Lebenserwartung neugeborener Mädchen belaufe sich 2060 auf 90,4 Jahre, während neugeborene Jungen mit einer Lebenserwartung von 86,7 Jahren rechnen könnten. In beiden Varianten wird zudem mit einem starken Anstieg der ferneren Lebenserwartung kalkuliert.

Sterbefälle und natürliche Bevölkerungsbilanz

Nachdem im letzten Teil der Serie die Entwicklung der Geburtenzahl in Deutschland dargestellt wurde, soll es nun abschließend darum gehen, die Zahl der Geburten der Zahl der Sterbefälle gegenüber zu stellen. Die Differenz aus Geburten und Sterbefällen wird dabei als die „natürliche Bevölkerungsbilanz“ bezeichnet. Ist sie positiv, so kamen in einem bestimmten Jahr mehr Menschen zur Welt als umgekehrt Menschen verstorben sind. Im umgekehrten Fall, einer negativen natürlichen Bevölkerungsbilanz, starben dagegen mehr Menschen als es Neugeborene gab.

GeburtenSterbefälle.xlsx

Wie die Abbildung zeigt, dominierten in jenen Jahren, in denen die zusammengefasste Geburtenziffer Werte jenseits  der zwei Kindern annahm, eindeutig die Geburten. Doch schon seit 1972 ist die natürliche Bevölkerungsbilanz in Deutschland negativ. Seither starben 4,8 Millionen Menschen mehr als umgekehrt Kinder zur Welt kamen. Blickt man auf die jüngeren Jahre, so geht die Schere von Geburten und Sterbefälle offenbar immer weiter in Richtung einer wachsenden, negativen natürlichen Bevölkerungsbilanz auseinander. So überstieg die Zahl der Gestorbenen in den letzten beiden Jahren die Zahl der Geburten um jeweils rund 200.000 Menschen. Dieser Trend einer zunehmend negativen natürlichen Bevölkerungsbilanz dürfte sich aus zwei Gründen fortsetzen. Erstens besetzen die geburtenstarken Jahrgänge in den kommenden Jahren und Jahrzehnten jene Altersjahrgänge, in denen die Sterbewahrscheinlichkeit besonders hoch ist. Zweitens wird, wie im letzten Beitrag dargelegt, die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter künftig eher ab- als zunehmen. Diese Entwicklungen haben eine geringere Zahl an Geburten, aber eine höhere Zahl an Sterbefällen zur Folge.

Neben der natürlichen Bevölkerungsbilanz spielt die Wanderungsbilanz für die Entwicklung von Bevölkerungszahl und Altersstruktur eine wesentliche Rolle. Diese wird im Rahmen des 5. Teils dieser Serie näher beleuchtet. Bis dahin wünschen wir Ihnen eine gute Zeit!

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