Was wir wirklich über Asylsuchende wissen Teil V
Montag, 11. April 2016
Im letzten Teil unserer Serie widmen wir uns heute der Frage, wie denn nun eine Befragung von Asylbewerbern aussehen könnte, die repräsentative Ergebnisse über Menschen, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, hervorbringt.
Zu Beginn muss hierfür zunächst die interessierende Grundgesamtheit definiert werden. Hier werden der Forscherin bzw. dem Forscher zwei Entscheidungen abverlangt: Einerseits stellt sich die Frage, welche Periode der Migration inhaltlich von Interesse ist. So kann man seine Grundgesamtheit bspw. so definieren, dass sie sämtliche Menschen umfasst, die im Jahr 2015 als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Mit dieser Definition der Grundgesamtheit (und einer entsprechenden Sampling-Strategie) sind jedoch keine Aussagen über die aktuellen Migrationsbewegungen möglich. Dennoch mag die Definition sinnvoll sein, weil bspw. nur auf der Basis dieser Grundgesamtheit mit dem AZR eine adäquate Auswahlgesamtheit zur Stichprobenziehung zur Verfügung steht oder (als inhaltliches Argument) weil sich das Jahr 2015 hinsichtlich der Asylbewerberzahlen als besonders hervorstechend erweist.
Andererseits muss man überlegen, ob sich eine Befragung nur auf jene Gruppen von Flüchtlingen konzentrieren sollte, die eine Bleibeperspektive aufweisen. Möchte man bspw. Aussagen darüber treffen, welche Rolle die in 2015 eingereisten Flüchtlinge perspektivisch für den Arbeitsmarkt spielen können, so macht es nur wenig Sinn, auch Menschen aus den Balkanstaaten in das Sample zu integrieren. Als Anhaltspunkt für die Bleibeperspektive von Flüchtlingen können die Schutzquoten dienen, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) turnusmäßig in seiner Asylgeschäftsstatistik berichtet (diese kann hier aufgerufen werden). Im Februar 2016 belief sich bspw. die Schutzquote syrischer Flüchtlinge auf 98,9 Prozent. Für Menschen aus Albanien betrug sie hingegen nur 0,3 Prozent. Auf der Basis dieser Überlegungen könnte eine Definition der Grundgesamtheit lauten: Alle Menschen, die im Jahr 2015 als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind und die aus Syrien, Afghanistan, Irak oder aus Eritrea geflohen sind.
Als Grundlage der Stichprobenziehung könnte nun das AZR dienen, das Informationen zum Einreisedatum und zur Herkunft der Person enthält. Allerdings besteht dann, wie bereits beschrieben, das Problem, keine Informationen über den Aufenthaltsort der Person zu haben, sondern lediglich zu wissen, welche regionale Ausländerbehörde für sie zuständig ist. Die Kooperation der Behörden (inkl. des BAMF) ist somit eine ganz zentrale Voraussetzung. Wichtig ist auch, zeitnahe Informationen über den Aufenthaltsort der Personen zu erhalten, da gerade während der Phase der Asylsuche Ortswechsel recht häufig eintreten. Daher bietet es sich an, eine regional geklumpte Stichprobe zu ziehen, um nicht mit allen, sondern nur mit einer überschaubaren Anzahl an Ausländerbehörden zu kooperieren.
So könnte man in einem ersten Schritt auf der Basis des AZR eine Liste der regionalen Ausländerbehörden erstellen, welche die Zahl an Menschen aus den interessierenden Herkunftsländern umfasst, für die die jeweiligen Behörden zuständig sind. Anschließend könnte man eine Zufallsauswahl regionaler Ausländerbehörden ziehen, wobei die Auswahlwahrscheinlichkeit proportional zur Anzahl der interessierenden Menschen, die von dieser Behörde betreut werden, sein sollte. Mit anderen Worten: Eine regionale Ausländerbehörde, die in der Summe für mehr Menschen aus Syrien, Afghanistan, Irak oder Eritrea zuständig ist, sollte auch eine höhere Chance aufweisen, ausgewählt zu werden. Danach muss aus allen Menschen, die von einer gezogenen Ausländerbehörde betreut werden und die zur Grundgesamtheit zählen, eine weitere Zufallsstichprobe gezogen werden. So könnte man bspw. 20 regionale Ausländerbehörden ziehen und jeweils 200 Menschen, die von dieser Behörde betreut werden, per Zufall auswählen. So käme man schließlich auf eine Stichprobengröße von 4.000 Menschen, die im Jahr 2015 als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind und eine gute Bleibeperspektive aufweisen. Damit sind zwar noch lange nicht alle Probleme gelöst, aber von Seiten der Stichprobenziehung erscheint dieser Weg jener zu sein, der dem Kriterium einer repräsentativen Befragung am besten gerecht wird.