GUS-Insights Teil VIII: Einflussfaktoren auf Schulwegeverletzungen (1)
Montag, 16. November 2020
In den verbleibenden drei Episoden bis Weihnachten möchten wir uns intensiver mit den Einflussfaktoren auf Verletzungen beschäftigen, die sich auf dem Weg von oder zur Schule ereignet haben. Den Auftakt macht heute die Betrachtung von Wegeverletzungen in Abhängigkeit von dem für den Schulweg genutzten Verkehrsmittel. Hierzu greifen wir diesmal auf die dritte und fünfte Erhebungswelle der GUS-Studie aus den Schuljahren 2016/17 und 2018/19 (Befragungen der 7. und 9. Jahrgangsstufe) zurück. In diesen Befragungen wurde jeweils ein kombiniertes Modul, das sowohl die Dauer des Schulweges als auch die verwendeten Verkehrsmittel erfasst, verwendet.
Dieses Schulwegemodul sieht vor, dass die Schüler*innen für verschiedene, vorgegebene Verkehrsmittel spezifizieren, wie viele Minuten sie am Tag der Befragung mit diesen unterwegs gewesen sind, um zur Schule zu kommen.
Der Bezug zum konkreten Befragungstag hat dabei den Vorteil, dass die Schüler*innen die relevanten Informationen sehr leicht abrufen können (da das Ereignis nur kurze Zeit zurückliegt), weist allerdings den Nachteil auf, dass wir möglicherweise einen „Ausnahmetag“ erfassen, an dem der/die Schüler*in aufgrund besonderer Umstände den Schulweg auf andere Weise zurückgelegt hat als üblich, bspw. aufgrund saisonaler Einflüsse. Dennoch hat sich diese Form der Abfrage gegenüber alternativer Abfragen bewährt.
In einem ersten Schritt weisen wir, getrennt nach den beiden Erhebungen, die Anteile derjenigen Schüler*innen aus, die berichteten, die vorgegebenen Verkehrsmittel für ihren Schulweg mindestens eine Minute genutzt zu haben. Hierbei sei darauf verwiesen, dass die Schüler*innen mehrere Verkehrsmittel nutzen können. So ist es denkbar, dass Schüler*innen zunächst mit dem Fahrrad oder zu Fuß eine Strecke bis zu einem Bahnhof zurücklegen. In der Tabelle unterhalb der Abbildung ist zudem angegeben, wie viele Minuten die teilnehmenden Schüler*innen das entsprechende Verkehrsmittel im Mittel für ihren Schulweg genutzt haben. Als Maßzahl verwenden wir dabei nicht das arithmetisches Mittel, sondern den Median, da dieser robuster gegenüber Ausreißern ist (also z. B. gegenüber extrem langen Wegen, die berichtet werden). Der Median ist der Wert der mittleren Beobachtung in einer nach Größe geordnete Reihe von Messwerten. Die eine Hälfte der Beobachtungen weist dabei einen Wert auf, der dem Median entspricht oder niedriger ausfällt, während bei der anderen Hälfte der Beobachtungen größere Werte vorliegen.
zu Fuß | mit dem Fahrrad | mit dem Bus | mit der Bahn (Regionalzug, S-/U-Bahn) | mit dem Mofa/Motorroller | als Beifahrer im Auto | mit sonstigen Verkehrsmitteln | |
7. Jg | 8 | 10 | 20 | 10 | 8 | 8 | 10 |
9. Jg | 6 | 10 | 20 | 10 | 8 | 8 | 10 |
Tabelle 1: Median der Nutzungsdauer (in Minuten)
In beiden Erhebungswellen bestreitet jeweils mehr als die Hälfte der befragten Schüler*innen zumindest einen Teil ihres Schulwegs zu Fuß und legt hierfür eine mittlere Strecke von acht (7. Jahrgangsstufe) bzw. sechs (9. Jahrgangsstufe) Minuten zurück. Jedoch ist es eher die Ausnahme, dass die Schüler*innen ausschließlich zu Fuß zur Schule kommen: In der 7. Jahrgangsstufe traf dies nur auf 10,6 Prozent und in der 9. Jahrgangsstufe auf 12,4 Prozent der Schüler*innen zu (tabellarisch nicht ausgewiesen). Somit nutzt die große Mehrheit der Fußgänger*innen noch mindestens ein weiteres Transportmittel, und in zwei Drittel der Fälle ist dies der Bus. Da manche Schüler*innen angaben, ausschließlich mit dem Bus oder mit der Bahn zur Schule zu kommen, sollte der tatsächliche Anteilswert für die Fortbewegung zu Fuß jedoch höher ausfallen, da in der Regel ein Fußweg zur Bus- oder Bahnstation zurückgelegt werden muss (den einige Schüler*innen bei der Beantwortung der Frage offenbar nicht bedacht oder als irrelevant eingestuft haben).
Blickt man auf die übrigen Transportmittel, so benutzt rund die Hälfte der Schüler*innen den Bus für ihren Schulweg. Ein knappes Drittel der Schüler*innen greift auf das Fahrrad zurück, um zur Schule zu kommen und ist damit im Mittel 10 Minuten unterwegs. Rund die Hälfte dieser Schüler*innen verwendet für den Schulweg dabei ausschließlich das Fahrrad (tabellarisch nicht ausgewiesen). Zudem gaben 29 Prozent der befragten Schüler*innen der 7. Jahrgangsstufe an, mit dem Auto zur Schule gebracht zu werden. Dieser Anteil hat sich zwei Jahre später recht deutlich reduziert. Eine vergleichsweise geringe Rolle beim Schulweg spielen schließlich die Bahn, das Mofa bzw. der Motorroller sowie sonstige Verkehrsmittel.
Um Zusammenhänge mit Schulwegeverletzungen zu untersuchen, betrachten wir zunächst allein den Einfluss des Fortbewegungsmittels, das heißt unabhängig von der Dauer des Schulwegs. Dabei vergleichen wir die Verletzungsquoten auf dem Schulweg für die folgenden vier Gruppen:
- Schüler*innen, die ausschließlich zu Fuß zur Schule kommen (n=1.032 bzw. 1.018 in der 7. bzw. 9. Jahrgangsstufe)
- Schüler*innen, die ausschließlich mit dem Fahrrad zur Schule kommen (n=1.305 bzw. 1.279)
- Schüler*innen, die einen Teil ihres Schulwegs mit dem Fahrrad bestreiten (n=1.727 bzw. 1.192)
- Alle übrigen Schüler*innen (n=5.675 bzw. 4.743)
Die obige Abbildung verdeutlicht, dass die Verletzungsquoten auf dem Schulweg höher ausfallen, sofern die befragten Schüler*innen das Fahrrad für ihren Schulweg nutzen. Dies gilt insbesondere, wenn sie ausschließlich das Rad nutzen, um zur Schule zu gelangen. Allerdings zeigen sich auch erhöhte Verletzungsquoten, wenn nur eine Teilstrecke des Schulwegs mit dem Fahrrad zurückgelegt wird. Die Unterschiede zwischen den Gruppen mit und ohne Fahrradnutzung sind dabei in beiden Erhebungen mit einer Vertrauenswahrscheinlichkeit von mehr als 99 Prozent statistisch signifikant. Somit ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Unterschiede in den Verletzungsquoten zwischen den Gruppen mit und ohne Fahrradnutzung rein zufällig zustande gekommen sind.
In der nächsten Episode unserer Serie werden wir uns eingehender mit dem Zusammenhang zwischen der Dauer des Schulweges und der Verletzungshäufigkeit auf dem Schulweg beschäftigen.
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